Ein gesunder Selbstwert ist  fundamental für die Umsetzung des methodischen Wissens im Bereich der Soft Skills.

 

Sicherlich hat jeder schon mal gehört bzw. gelesen, wir würden in einer Wissens- und Leistungsgesellschaft leben. Vieles ist so komplex und schnell geworden, dass es erforderlich ist, sich immer neues Wissen anzueignen. Im Arbeitsalltag und in der Weiterbildung wird schon lange vom lebenslangen Lernen gesprochen. Dies betrifft auch die Schlüsselqualifikationen oder Soft Skills, die über das fachliche Wissen hinausgehen.

Mit Lernen ist meist nicht nur das methodische Wissen allein gemeint, sondern die Kompetenz das Gelernte auch anwenden zu können. Von der Bedeutung des Selbstwerts wird in diesem Zusammenhang allerdings noch selten gesprochen. Aus meiner Sicht ist es jedoch gerade im Bereich der Soft Skills erforderlich, das Wissen auf individuelle, selbstwertorientierte Weise in die Umsetzung zu bringen.

Nehmen wir ein klassisches Seminar zum Thema „Konfliktmanagement“ als Bespiel:

Das Wissen aus der Konfliktforschung sowie die Theorien und Methoden sind interessant und spannend. Für die meisten Menschen auch recht logisch, wenn sie es einmal gehört haben. Mit diesem Wissen weiß man theoretisch recht schnell, wie man sich in Konfliktsituationen und mit schwierigen Gesprächspartnern verhalten kann.

In der praktischen Umsetzung sieht es doch oft ganz anders aus. Warum ist das so? Kurz gesagt, weil wir in schwierigen Situationen mit unseren Emotionen, unerfüllten Bedürfnissen sowie auch mit unseren Unsicherheiten und Ängsten konfrontiert sind. Um mit diesen Herausforderungen gut umgehen zu können, ist ein gesunder Selbstwert (in Kombination mit dem Wissen) der Schlüssel und die beste Konfliktprophylaxe.

Das Wissen allein ist interessant, aber nicht besonders wertvoll für jemanden, dessen Selbstwert gerade im Keller ist.

Was passiert mit dem gelernten Wissen, wenn wir uns nicht um unseren Selbstwert kümmern?

Wie schon gesagt, die verschiedenen Kommunikationsmodelle oder die Methoden des Konfliktmanagements sind meist gar nicht so kompliziert. Dennoch gibt es viele Argumente, warum die Umsetzung im Alltag nicht immer funktionieren kann. Die Argumente sind häufig eine Art Schutz. Man braucht Mut, um das Gelernte auf eine ganz individuelle Weise umzusetzen und sich mit seiner Sichtweise zu zeigen. Ein stabiler Selbstwert ist dabei mehr als hilfreich.

Natürlich kann man Konflikte und zwischenmenschliche Themen auch klären, wenn man gerade nicht die beste Beziehung mit sich selber führt. Es ist aber oft anstrengender und kräftezerrender – für sich selbst und für andere. Noch dazu führt es oft nicht zu der besten oder gewünschten Lösung.

Wenn man ganz in die Ruhe kommt, kann man bei sich selbst und bei anderen viel beobachten und erkennen. Hier einfach mal ein paar Bespiele, warum das methodische Wissen bei Menschen mit geringen Selbstwert oft nicht praktisch umgesetzt wird:

Neid und mangelnde Wertschätzung:

Ein Mensch, der seinen eigenen Wert nicht erkennt und schätzt, hat oftmals auch Schwierigkeiten andere Menschen wertschätzend zu behandeln oder sich in sie hineinzuversetzen. Er ist auf die Erfolge anderer häufig neidisch. Lob oder Anerkennung mit Blick auf die Leistungen und Erfolge der anderen wird nicht ausgesprochen, um sich selbst daneben nicht kleiner zu fühlen. Eine offene, transparente und wertschätzende Kommunikation wird somit sehr schwierig. Gelegentlich werden die Gesprächspartner sogar noch abgewertet oder kritisiert, da ein Mensch mit geringem Selbstwertgefühl vieles als direkte Bedrohung empfindet. Das ist besonders dann der Fall, wenn sich diese Menschen z.B. im direkten Arbeitsumfeld oder in Konkurrenzsituationen befinden. Um sich mit dem eigenen geringen Selbstwert nicht konfrontieren zu müssen, werden die Fehler der Kollegen nicht toleriert oder sogar verbal verurteilt. Diese Art von angewendeten Kommunikationsblockern können Konflikte leicht eskalieren lassen. Das Motto dahinter: Angriff ist die beste Verteidigung. Verhindert werden soll, dass man selber in Frage gestellt wird. Andere Ideen und Vorschläge werden als Abwertung der eigenen Person und nicht als Bereicherung gewertet. Die guten Kommunikationsmethoden finden kaum Anwendung, obwohl das Wissen hierzu oft exzellent wiedergegeben werden kann. Stattdessen kommt es oft zu einer Art Besserwisserei und der Verteidigung der eigenen Meinung.

Besserwisserei und Verteidigung:

Jemand der alles besser weiß und mit seinem Wissen protzen muss, fühlt sich meist selbst nicht besonders wertvoll. Durch die Rechthaberei wird viel mehr versucht, den Mangel an Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit zu kaschieren. Es ist der Versuch, sich selbst zu bestärken und sich über den Gesprächspartner zu stellen. Das sogenannte Gespräch auf Augenhöhe, um eine win-win Lösung zu erzielen, ist gar nicht möglich, wenn einer der Gesprächspartner ständig recht behalten und das letzte Wort haben möchte.

Das Wissen aus dem Bereich der Soft Skills kann von „Besserwissern“ oft gut und richtig präsentiert werden – wenn auch oft auf eine belehrende Art und Weise. Die belehrende Widergabe des Wissens heißt aber nicht, dass es von ihnen selber angewendet werden kann und wirklich verinnerlicht ist. Die Umsetzung scheitert in vielen Fällen daran, dass oft wird schnell über andere geurteilt wird, ohne ihre Perspektive überhaupt ausreichend zu betrachten.

Interessant oder fast paradox ist, dass sich unsichere Menschen gut fühlen können, wenn sie andere durch ihr Wissen verunsichern.

Entscheidungsunfähigkeit und Opferhaltung: 

Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl möchten nicht negativ beurteilt werden. Sie ziehen sich in bestimmten Situationen daher eher zurück, anstatt sich Konflikten und Auseinandersetzungen zu stellen. Aus Angst eine falsche Entscheidung zu treffen oder zu scheitern, wird oft gar keine Entscheidung getroffen und die eigene Position nicht vertreten.  Das Wissen, wie man in die Klärung gehen könnte, hilft nicht weiter, wenn die Umsetzung durch Ängste und Unsicherheiten blockiert wird.

Mangelnder Selbstwert kann in die Opferrolle führen, so dass das Gefühl entsteht, dem Schicksal ausgeliefert zu sein und nichts am eigenen Leben ändern zu können. Dies ist natürlich die perfekte Ausrede, warum der Einsatz der „weichen Fähigkeiten“ auch nichts bringt. Der Wunsch nach einer Veränderung ist da, aber es wird nicht daran geglaubt, dass diese aus eigner Kraft erreicht werden kann. Statt seine Interessen und Bedürfnisse zu vertreten und die Methoden einer konstruktiven Konfliktklärung anzuwenden, wird mit Schuldzuweisungen gearbeitet. Schuld daran sind immer die Anderen oder das Schicksal oder die Rahmenbedingungen.

 

Es gibt noch so viel mehr, was man wahrnehmen kann, wenn Menschen miteinander agieren, die sich selbst gerade nicht wertschätzen. Möchte man diese Situationen verhindern, kommt die Frage auf, wie man eigene destruktive Muster erkennt, heilt und so in die eigene Kraft kommt. Ob und wie die eigenen Themen angeschaut und bearbeitet werden, liegt in der Selbstverantwortung eines jeden Einzelnen.

Trotzdem ist es auch meiner Sicht wichtig, das Thema Selbstwert in Seminaren und Coachings zu berühren. Aber wie?

Ist Selbstwert lern- und lehrbar?

Ja und nein ist wohl die beste Antwort.

Die Voraussetzung am eigenen Selbstwert zu arbeiten oder eine Opferrolle zu verlassen, ist dass man erkennt welche Rolle man eingenommen hat. Nach der Erkenntnis kommt die Entscheidung an sich zu arbeiten. Die meisten Ursachen für einen mangelnden Selbstwert sind in der Kindheit zu finden, so dass sich ein Blick in die Vergangenheit lohnt. Wurde das Bedürfnis nach emotionaler Wärme, Anerkennung und Aufmerksamkeit erfüllt oder hatte man das Gefühl nicht ausreichend gesehen und wertgeschätzt zu werden? Diese Themen sind privat und sehr persönlich. Genau aus diesem Grund gibt es in Arbeitswelt kaum Seminare zu diesem Thema.

Hinweise, Fragen und Impulse können jedoch in Seminaren gegeben werden. Insbesondere in den Trainings, in denen es um selbstsicheres Auftreten, Kommunikation und Konfliktklärung geht. Ein gesunder Selbstwert ist bei diesen Themen die Basis. Ist jemand (noch) nicht bereit an sich zu arbeiten, werden diese Impulse auch nicht aufgegriffen. Ist jedoch der richtige Zeitpunkt gekommen, sich mit der Thematik zu beschäftigen, reichen sanfte Impulse meist aus. Ansonsten wird mit starker Abwehr und Ablehnung reagiert.

Die Auseinandersetzung mit sich selbst lohnt sich, denn Soft Skills sind mehr denn je gefragt, wenn es um das Verhalten am Arbeitsplatz geht. Ein gesunder Selbstwert hilft enorm bei der Umsetzung des methodischen Wissens. So kann sich die Kommunikation mit anderen Menschen verbessern und schwierige Situationen können besser gemeistert werden.

 

Ich freue mich über alle Hinweise und Erfahrungen zum Thema „Bedeutung des Selbstwerts im Bereich der Soft-Skills“.

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